Drei Maschinen, 6 Tage, 2500 Kilometer
Erster Tag in Marokko. Gott sei Dank fahren wir die ersten 150 Km auf Asphalt und auf fast schnurgeraden Strecken, denn die Nacht auf der Fähre hatte es insich.
Wir sind zu dritt, Ralf mit einer Honda XR 650 R, Reinhard mit einer KTM 950 Adventure und ich mit einer KTM 640 Adventure.
Gestern Abfahrt in Malaga erst um 23 Uhr abends, dann Nachtlager auf dem Boden des Pullman Salons. Gerade als ich mich noch mal umdrehen will, versucht eine dunkle Gestalt unsere Tankrucksäcke zu klauen. Ein lauter Schrei und ein Hechtsprung von mir und die Täter treten ohne Beute die Flucht an. Riesenaufregung und ein Tohuwabohu folgen. An Schlaf ist danach nicht mehr zu denken.
Der Übergang von der spanischen Enklave Mellila nach Marokko ist mittlerweile für Europäer ein ganz normaler Grenzübergang. Für Afrikaner jedoch ist es eine nahezu unüberwindbare Barriere und trennt sie vom Reichtum Europas. Tausende finden sich täglich dort ein und versuchen nach Europa zu kommen. Nur für wenige erfüllt sich der Traum.
Den Einstieg in die Piste auf das Plateau du Rekkam ist einfach zu finden und wir halten uns an die GPS-Daten unserer französischen Freunde.
Ein schmales Teerband schlängelt sich die ersten 80 km nach Süden. Stauseen und kleine Dörfer liegen am Rand der Strecke. Kein einziges Fahrzeug treffen wir an diesem Nachmittag. Die Route ist eine alte Strecke der Rallye Dakar und entwickelt sich zu einer prächtigen Piste durch das Bergland des Plateau du Rekkam. Was wir nicht wissen: wo gibt es die nächste Tankstelle?
Jede Maschine hat 30 Liter Sprit und 8 Liter Wasser geladen. Geplant ist die Überquerung des Plateau du Rekkam, ein Hochebene mit einer durchschnittlichen Höhe von 1500 m, dann die Südumfahrung des Erg Chebbi und auf den Pisten entlang der algerischen Grenze nach Zagora. Teerstrecken wollen wir so gut es eben geht vermeiden.
Am ersten Tag schaffen wir insgesamt 400 Km. Als Übernachtungsplatz wählen wir den Brunnen Hassi al Ahmar mitten im nirgendwo. Gegen Abend treffen einige Beduinen ein und füllen Ihre Wasserbehälter. Die Gespräche sind sehr kurz und drehen sich um Zigaretten und das woher und wohin. Auf die Frage nach der Entfernung zum nächsten Ort, bekommen wir sehr unterschiedliche Aussagen und wir merken, dass die Menschen hier vielleicht noch den nächsten, ganz sicher aber den übernächsten Ort nicht kennen.
Hier mitten in der Wüste finde ich das, was ich dort suche. Das Leben reduziert sich dort auf die Grundbedürfnisse. Wasser finden, einen sicheren Schlafplatz zu haben, auf eine gut funktionierende Ausrüstung zu vertrauen.
Auch am nächsten Tag sind wir von der Strecke begeistert. Endlos scheint sich Landschaft vor uns auszubreiten. Immer wieder fädelt sich die Strecke in drei, vier fünf Stränge auf, aber auf die GPS-Daten ist verlass.
In Anoual hat jemand aus der Not eine Tugend gemacht und eine „Tankstelle“ eingerichtet. Die Betankung erfolgt per Trichter und Plastikkanister. Im Umkreis von 20 Metern ist der Boden von verschüttetem Benzin und Diesel pechschwarz und auch wir stinken nach Sprit.
Die Menschen sind freundlich und unaufdringlich, wie übrigens in allen Orten in Marokko die ich bisher besucht habe.
Am Nachmittag des zweiten Tages geht`s dann richtig zur Sache. Die Piste franst bis zur Unkenntlichkeit aus und wir geraten in ein sandiges Wadi.
Jetzt rächt sich das Gewicht der 950er Adventure und das viele Gepäck, dass Reinhard trotz meiner Warnungen mitgenommen hat.
Mehrmals graben wir die 270 Kilo aus und auch Ralf und ich geraten an unsere Grenzen.
Ralf mit der leichten 650er Honda und seinen 1,85 m Körpergröße hat alles im Griff und sucht einen Ausweg aus dem Trockenflussbett. Wir umfahren das Flussbett und driften immer weiter nach Osten ab. Nach 30 Kilometern ist eine Querung möglich und wir kommen wider in steinigeres Gelände.
Die letzten 40 Km fahren wir auf Teer und in der Dunkelheit Richtung Merzouga, dem kleinen Städtchen am Erg Chebbi. Die Südumfahrung, die sehr sandig ist, verschieben wir aufs nächste Jahr.
Die Nacht verbringen wir in einem Hotel-Nomadenzelt direkt neben Dünen des Erg Chebbi.
Die anfängliche Euphorie meiner Kameraden lässt nach den Erlebnissen in dem sandigen Flussbett spürbar nach. Meine Warnungen und Hinweise zu Gepäck, Motorradtyp und mentaler Einstellung wurden einfach nicht ernst genommen.
Der Sonnenaufgang in den Dünen des Erg Chebbi erlebe ich jetzt zum zweitenmal und ich es ist wieder umwerfend! Vor zwei Jahren habe ich zusammen mit einem französischen Ornithologen eine ganztägige Dünenwanderung unternommen von der ich heute noch begeistert bin.
Übrigens wurde Merzouga kurz nach meinem ersten Besuch vor zwei Jahren von einer Flutwelle(!) völlig zerstört und viele Menschen starben. Einige Hotels wurden seither nicht wieder aufgebaut.
Für eine Wanderung haben wir diesmal keine Zeit, aber Ralf muß unbedingt in die Dünen, während Reinhard und ich am Pool des Hotels Kräfte für die nächsten 250 Pistenkilometer sammeln.
Von Merzouga aus fahren wir die Südumfahrung nach Zagora. Eine der schönsten Strecken in Marokko. Sandige Passagen wechseln sich mit weiten Ebenen ab. Dort sind Geschwindigkeiten jenseits von 130 Km/h möglich.
Das Oued Rheris allerdings verlangt uns wieder alles ab. Die Fesch Fesch Löcher fressen regelrecht unsere Reifen. Reinhard kämpft tapfer, aber mit dem Gewicht der 950er ist nicht zu spassen und die Kräfte lassen bei mehr als 30 Grad im Schatten schnell nach.
Plötzlich steht eine Wand aus Sand in der Luft und es dauert nur Minuten bis uns der Sandsturm erreicht. Die Sicht ist in kürzester Zeit gleich null und nur noch das GPS zeigt uns den Weg. Im Schritttempo suchen wir die Auberge Mharech.
Ein zweites GPS Gerät, das ich als Redundantsystem dabeihabe, leistet uns jetzt gute Dienste, denn ohne GPS und ohne Sicht ist man hier verloren.
Nach über einer Stunde finden wir die Herberge in einem kleinen Seitental. Heilfroh über die zurückgewonnene Sicherheit fallen wir ganz kaputt auf die Matten im Speisesaal.
Trotz Protektoren habe ich mir bei einem Sturz das Knie verdreht und ein Weiterfahren ist nur mit starkem Schmerzmittel möglich.
Am nächsten Morgen fahren wir zusammen mit drei Franzosen bei herrlichstem Wetter und sehr guten Pistenverhältnissen Richtung Zagora weiter.
Die Strecke von Zagora nach Quarzazate schlängelt sich durch das dichtbesiedelte Qued Draa. Gegen Abend erreichen wir Quarzazate und Übernachten bei Jaques Miquelard, einem Onkel unserer französischen Freunde.
Er lebt seit Jahren in Quarzazate, ist mit einer Marokkanerin verheiratet und versorgt uns mit dem besten Essen (und natürlich Bier) seit Tagen.
Mit unserer Tourenplanung sind wir stark im Verzug und wir beschließen Marrakesch und den Hohen Atlas nicht zu befahren.
Wir fahren stattdessen am Atlas entlang und Richtung Todra Schlucht. Ich mache es mir auf einem Campingplatz gemütlich und meine Kameraden lassen sich im Touristenmoloch Todra-Schlucht noch von den Marokkanern ärgern.
Der letzte Tag bringt 670 Km nach Nador. Am späten Nachmittag haben wir es geschafft und rauf auf die Fähre.
Nach 2500 Kilometern in sechs Tagen haben meine Freunde einen ersten Eindruck von diesem tollen Land, den beschwerlichen Pisten und seinen netten Menschen bekommen.
Also dann bis zum nächsten Jahr.
Jürgen Groll
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